Nach 10 Monaten habe ich mir mal gedacht, dass es an der Zeit ist einige Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Denn schon vor meiner Ausreise sind mir einige davon begegnet, wenn ich von meinem geplanten Abenteuer erzählt habe. „Afrika! Wirst du da nicht hungern?“ „Pass bloß auf dich auf und nimm die Malaria Profilaxe!“ „Ist es da nicht voll gefährlich?“ „Die Straßen da sind richtig schlecht.“ „Hast du da überhaupt Internet? Was machst du denn ein Jahr ohne Instagram?!!“ Dies sind nur einige Beispiele von den Aussagen die ich mir vor meinem Jahr anhören durfte. Damals konnte ich nicht wirklich auf diese Aussagen und Fragen reagieren, jetzt weiß ich es allerdings besser. Bevor ihr aber diesen Blogeintrag lest muss ich noch etwas loswerden. Das was ich hier schreibe sind meine eigenen Erfahrungen und die begrenzen sich selbstverständlich auf das was ich hier in Sambia gesehen und erlebt habe. Vergesst bitte nicht, wie groß Afrika wirklich ist und wie viele Unterschiede es dementsprechend gibt. Der Begriff „Afrikaner“ ist meiner Meinung nach ein viel zu grober Begriff, denn wir „Europäer“ sind ja auch nicht alle gleich. Jedes Land hat seine eigene Geschichte und Kultur und ist nicht gleich fortgeschritten. Ich beschreibe hier also genau genommen nur mein Umfeld in Mpulungu und z.B. nicht das Leben auf dem Land in Afrika. Die Menschen in Afrika haben nichts zu essen und hungern alle Die Bilder von spindeldürren Kindern die man vor allem um die Weihnachtszeit immer im Fernsehen oder auf den Plakaten in der Innenstadt sieht, entsprechen nicht unbedingt der Wahrheit. Natürlich gibt es hier viele Menschen die Hunger leiden und Hilfe dringend nötig haben, aber es gibt auch verhältnismäßig viele Familien die genug zu essen haben. Es gibt das Nshima, einen Maismehlbrei der besonders billig aber dafür sehr nahrhaft ist. In den meisten afrikanischen Ländern zählt es zu den Grundnahrungsmitteln. Vor allem in diesem Fall muss man darauf achten, dass man nicht ganz Afrika über einen Kamm schert und zwischen der Bevölkerung auf dem Land und in den Städten unterscheidet. Dieser Kontinent ist weitaus größer als Europa und die Lebensverhältnisse sind in den einzelnen Ländern daher sehr unterschiedlich. Der Unterschied zwischen „reich“ und „arm“ ist hier immer sehr gut zu sehen, sobald man nur ein paar hundert Meter aus der Stadt heraus fährt. Es gibt hier kein oder nur wenig Internet Das stimmt so nicht ganz. In Sambia gibt es drei große Netzbetreiber. MTN, Airtel und Zamtel. Jedes der drei Netze ist unterschiedlich gut ausgebaut und wird nicht in allen Teilen des Landes empfangen. In einigen Teilen des Landes gibt es auch noch gar keinen Empfang. In großen Teilen kann man mit seinem Handy aber immer ein Netz empfangen und somit auf das Internet zugreifen. Hier in Sambia wurde die Zeit des Schnurtelefons nämlich einfach übersprungen und die Menschen haben sich direkt Mobiltelefone gekauft. Die Netzbetreiber haben unterschiedliche Angebote für das Telefonieren, SMS schreiben und das Benutzen des Internets, die man sich kaufen kann. Das Ganze funktioniert mit Prepaid Codes die man an fast jeder Straßenecke an kleinen Ständen kaufen kann. Internet ist im Vergleich zu Deutschland hier in Sambia recht teuer, aber man kann eigentlich immer darauf zugreifen. Fast jeder Erwachsene hat auch mindestens ein Handy, wenn nicht sogar mehrere. Viele benutzen Whatsapp und Facebook wie wir in Deutschland auch. Das trifft aber hauptsächlich auf die Menschen zu die in den Städten leben. In Afrika gibt es nur schlechte Straßen Natürlich kann man die Straßen nicht mit denen aus Deutschland vergleichen. Aber Sambia ist straßentechnisch ein recht ausgebautes afrikanisches Land. Lange Strecken sind asphaltiert und hier in Mpulungu ist es eigentlich jede Straße. Auf dem Weg in die Hauptstadt gibt es nur kurze Strecken die nicht asphaltiert sind, die Fahrt ist daher recht angenehm. Möchte man allerdings in die Dörfer sieht das natürlich anders aus, denn dort gibt es nur Schotterstraßen, die vor allem in der Regenzeit teilweise sehr tiefe Rinnen haben. Frauen tragen Eimer auf dem Kopf Das ist tatsächlich wahr. Frauen, Kinder und manchmal sogar Männer tragen unterschiedlichste Gegenstände auf dem Kopf. Nicht selten sind die sogar richtig schwer und trotzdem sieht man Ihnen kaum eine Anstrengung an. Die Frauen können dabei gehen, den Kopf drehen und sich unterhalten und nicht ein Mal wird die Balance verloren. Manchmal wird ein Chitenge zusammengerollt und als Zwischenschicht auf den Kopf gelegt, um das Gleichgewicht besser halten zu können. In meinem Jahr hier habe ich mehrfach versucht dies nachzumachen, bis jetzt ist es mir aber eher nicht so geglückt… Die Afrikaner sind alle arm Das kann man so pauschal nicht sagen, denn es kommt echt auf das Gebiet an. In den Städten haben die Menschen größtenteils recht viel Geld und können sich einiges leisten. Natürlich gibt es aber auch Familien denen es nicht so gut geht und die deswegen ihre Kinder z.B. nicht zur Schule schicken können oder nicht genug essen haben. Die ärmeren Menschen wohnen also auf dem Land und betreiben hauptsächlich Landwirtschaft. Man kann den Lohn der Menschen hier aber natürlich nicht mit unseren Löhnen in Europa vergleichen. So etwas wie einen Mindestlohn gibt es nicht. Wenn eine Familie eine Frau bezahlt, die für sie kocht, putzt und wäscht, dann bekommt sie dafür im Monat teilweise nur etwa 20€ und davon kann man auch hier kaum leben. Allgemein ziehen hier aber auch immer mehr Familien in die Städte, da die Jobchancen dort um einiges höher sind. Es gibt nur wenig Schulen bzw. gebildete Menschen Auch dieser Aussage würde ich so erst einmal nicht zustimmen. In den Städten gibt es aufgrund der vielen Kinder auch echt viele Schulen und wenn man an den Dörfern vorbei fährt sieht man auch überall Schulen ausgeschildert. Viele Kinder müssen dafür einen weiten Weg auf sich nehmen, aber die Möglichkeit ist da. Das größere Problem sind da eher die Kosten für den Schulbesuch, denn egal ob es sich um eine staatliche oder private Schule handelt, die Eltern müssen für die Bildung ihrer Kinder bezahlen. Wirklich gut ist die Bildung in den staatlichen Schulen aber nicht. Daher versuchen viele Eltern ihr möglichstes, um das Geld für eine Privatschule aufzutreiben und da liegt der Preis für die Grundschule bei etwa 100€ pro Trimester, pro Kind. Hier in Mpulungu beherrschen fast alle erwachsenen außerdem genug Englisch, wir brauchen in unserem Alltag also eigentlich kein Bemba. Das Mysterium Malaria Bei uns in Deutschland halten fast alle Menschen Malaria für eine unheilbare, tödliche Krankheit. Daher wird einem von dem Arzt oft empfohlen die sogenannte Malaria Prophylaxe zu nehmen, um sich vor der Krankheit zu schützen. Die Krankheit wird von der weiblichen Anopheles Mücke übertragen, die einen Parasiten namens Plasmodium in sich trägt. Wird man von einer solchen Mücke gestochen, gelangt der Parasit in die Blutlaufbahn und man wird krank. Unbehandelt führt diese Krankheit tatsächlich fast ausnahmslos zum Tod. Für Malaria wird man hier aber jedes Mal getestet, sobald man nur einen Fuß in ein Krankenhaus oder eine Klinik setzt. Dafür gibt es nämlich einen kleinen Schnelltest, der in etwa so funktioniert wie das Blutzucker messen. Ein kleiner Tropfen Blut wird abgegeben und nach 5 – 10 Minuten erhält man schon das Ergebnis. Malaria ist hier mittlerweile aber sehr gut behandelbar, daher macht es wenig Sinn die Prophylaxe durchzunehmen, wenn man so lange im Ausland ist. Bei einem kurzen Besuch kann man sie nehmen, muss man aber nicht. Gefühlt hatten alle Bekannten hier in Mpulungu mittlerweile schon Malaria, nur wir irgendwie nicht. Ob man das so glauben kann ist eine andere Sache, denn oft werden die Malariamedikamente auch genommen ohne sich wirklich testen zu lassen. Da hat man anstatt einer Erkältung auf einmal Malaria, obwohl die Symptome Erbrechen, Übelkeit, Durchfall und Fieber alle gar nicht aufgetreten sind. Es ist immer heiß und gibt Wasser Probleme Es ist hier nicht 365 Tage immer heiß. Hier gibt es eine Trocken- und eine Regenzeit. Die Regenzeit beginnt im Dezember und zieht sich bis in den April. In diesem Zeitraum regnet es recht häufig und die ganze Umgebung wird grün. Hier in Mpulungu ist es aber heißer als in den meisten Städten Sambias und es regnet auch weniger. Wenn es aber dann mal regnet, dann regnet es auch richtig. Da wir direkt am See liegen ist es hier auch noch recht schwül und wirklich kalt wird es eigentlich nie. Jetzt im Juni / Juli beginnt die „kalte Zeit“, bis jetzt hatten wir aber nur ganz selten Mal unter 20 Grad in Mpulungu. Und wenn überhaupt, dann nur in der Nacht. Im August und Oktober wird es dann richtig heiß und vor allem hier in Mpulungu hat man das Gefühl durchgehend in einer Sauna zu sein. Im Oktober war sogar die kalte Dusche recht angenehm. Die meisten Häuser hier haben fließendes Wasser oder befinden sich in der Nähe eines Bohrloches oder eines Brunnens aus dem Wasser geholt wird. Das wird Zuhause in großen Behältern für den Notfall aufbewahrt. Dennoch ist für manche Familien der Weg zum Wasser weit und fließend Wasser nicht selbstverständlich. Die Häuser bestehen hier aus Lehm und haben ein Stroh Dach Meine Mama hat in der Anfangszeit gedacht, ich würde in einer kleinen Hütte leben… Tatsächlich aber haben in der Stadt fast alle Häuser Metalldächer und bestehen aus Stein. Auch fließend Wasser und Strom sind vorhanden. Stromausfälle sind aber keine Seltenheit und auch das Wasser verschwindet jeden Tag für mindestens ein paar Stunden. Für diese Zeit werden aber große Behälter und die Badewanne mit Wasser gefüllt. Ist das Wasser mehrere Tage lang nicht da, müssen wir das Wasser aus dem Wasserspeicher ins Haus tragen. Auf dem Land bestehen die Hütten aber fast immer aus Lehm und haben Dächer aus Stroh. Dann gibt es oft auch keine normalen Toiletten, sondern nur ein selbstgebautes Plumpsklo. In der Stadt sieht man das aber nicht. Was allerdings selten ist, sind mehrstöckige Häuser. Bisher habe ich die nur in den Großstädten und hauptsächlich der Hauptstadt gesehen. Die Frauen tragen die Kinder auf dem Rücken Das ist ein Trend den ich eigentlich ziemlich cool finde. Mütter und manchmal sogar Väter tragen die Kinder auf dem Rücken, indem sie sie mit einem Chitenge umbinden. Chitenge sind lange Stoffe, die sich die Frauen um die Hüften binden und aus denen oft Kleidungsstücke genäht werden. Sie werden aber auch zum Schutz auf dem Kopf getragen, zum Putzen oder zur Dekoration verwendet. Und man benutzt sie natürlich zum Tragen von Gegenständen oder Kindern. Die Kinder sagen öfter mal zu einem „Papa me“. Damit wollen sie ausdrücken, dass sie Huckepack getragen werden wollen. Die Babys sind dies von klein auf gewöhnt und lieben diese Position. Kirche in Sambia ist anders Auf jeden Fall. Die Menschen hier leben für die Kirche und das Beten ist ein grundlegender Bestandteil ihres Lebens. In Sambia sind die meisten Personen katholisch, es gibt aber auch recht viele Muslime. Sonntags gibt es 3 Gottesdienste einen auf Englisch, einen auf Bemba und einen für die Kinder. Jeder Gottesdienst hat einen eigenen Chor der jede Woche singt. Die Lieder sind alle sehr schwungvoll und freudig und oft wird auch in der Kirche zu den Liedern getanzt. Die Menschen singen aus voller Brust und freuen sich dort zu sein. Beeindruckend finde ich auch die Predigten der Priester, denn die beinhalten wirklich jede Woche einen guten Rat für die Menschen. Ich kann gar nicht wirklich beschreiben, wie anders der Glauben hier wirklich ist. Die Gottesdienste werde ich aber auf jeden Fall vermissen. Es gibt hier kaum Autos Auf dem Land und in den ärmeren Gegenden mag dies stimmen, in der Stadt aber definitiv nicht. Sogar hier in Mpulungu ist die Innenstadt immer voll mit Autos und wenn Schulschluss ist holen viele Eltern ihre Kinder ab. Auch die Schwestern haben ein Auto. Von den neuen Schwestern kann aber leider nur eine Auto fahren, da müssen wir dann aushelfen und sie herumkutschieren. Julia sollte vielleicht überlegen ein Taxiunternehmen zu eröffnen. Die Menschen hier sind sehr freundlich Definitiv! Egal wo man hingeht, man wird herzlich empfangen und sofort in die Gruppe aufgenommen. Sie sind sehr interessiert an unserem Leben und freuen sich, wenn wir auch mal was über ihre Kultur erfahren möchten. Dass wir ihr Grundnahrungsmittel, das Nshima, essen lieben sie sehr. Auf der Straße wird man allgemein eigentlich immer angesprochen und es wird gefragt, wie es einem geht. Anders als in Deutschland sind alle wirklich offen und freundlich neuen gegenüber. Diesen Aspekt werde ich in Deutschland mit Sicherheit sehr vermissen. Einige Vorurteile haben sich also bewahrheitet und andere kann ich jetzt zum Teil gar nicht mehr nachvollziehen. Vor allem die Stromausfälle, das verschwindende Wasser, die Hitze und der reduzierte Internetverbrauch sind normal geworden. Ich finde es gar nicht mehr schlimm unter diesen Bedingungen zu leben, sondern habe mich damit im Laufe der Zeit arrangiert. Wenn euch noch etwas anderes Einfällt, was ihr gerne wissen wollt, dann lasst doch gerne einen Kommentar da. :)
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August 2018
Wer bin ich?
Ich heiße Alicia Meschede bin 19 Jahre alt und komme aus Paderborn. Nachdem ich nun meine Schullaufbahn beendet habe, gehe ich für ein Jahr nach Sambia, Afrika. Zusammen mit meiner Freundin Julia werde ich dort ein Jahr in Mpulungu arbeiten. |